Wenn du heute durch das Fort Kugelbake in Cuxhaven gehst, betrittst du ein einzigartiges Stück Marinegeschichte. Vor 155 Jahren errichtet und 1994 aufwendig restauriert, ist es die einzige erhaltene Marinebefestigung an der deutschen Nordseeküste. Zeit für einen Blick hinter die Kulissen.
Im Jahr 1870 legte Preußen den Grundstein für die gewaltige Küstenverteidigung an der Kugelbake. Ihr Zweck war eindeutig: Mit schwerem Geschütz den Schiffsverkehr auf der Elbe und den Zugang zum Nord-Ostsee-Kanal zu sichern.
Nach mehr als zwanzig Jahren Dornröschenschlaf wurde das Fort vor rund drei Jahrzehnten wachgeküsst. Mehr als 6,5 Millionen Mark – größtenteils EU-Gelder – flossen in die detailgetreue Restaurierung. Heute kannst du das fünf Hektar große Fort im Rahmen spannender Führungen erkunden. Auch für große Veranstaltungen ist das Gelände heute eine beliebte Kulisse.

Foto: U. Armbrust
Schon Napoleons Truppen hatten ein Auge auf den strategischen Punkt an der Kugelbake geworfen. Ab 1807 errichteten sie erste Befestigungen, um die Kontinentalsperre gegen England durchzusetzen. Nach dem Abzug der Franzosen 1813 war davon nichts mehr übrig.
Erst 1868 bekam Preußen grünes Licht für zwei neue Forts – eines an der Kugelbake, das andere bei Stade. Noch während des Baus brach 1870 der Deutsch-Französische Krieg aus. Man baute sogar die Kugelbake ab, um feindlichen Schiffen keine Orientierung zu bieten.
Zur Bauzeit herrschte in Cuxhaven reger Betrieb: 1800 Arbeiter und 1400 Soldaten mussten untergebracht werden – in einer Stadt mit nur 5000 Einwohnern. Die Bürger waren davon wenig begeistert, denn sie mussten private Quartiere bieten. Auch nach dem Krieg blieben viele Soldaten – eine Kaserne war nicht in Sicht, und das Fort war zu feucht zum Wohnen.
Anfangs standen dort 21-Zentimeter-Geschütze. 1890 kamen zehn 28er und vier weitere Kanonen hinzu, allesamt aus der Waffenschmiede Krupp. Mit dem Nord-Ostsee-Kanal änderte sich alles: Die Kaiserliche Marine übernahm das Fort, und 1892 wurde Cuxhaven Marinegarnisonsstadt. Im Ersten Weltkrieg waren hier 8500 Soldaten stationiert. Cuxhaven wurde zur stärksten Festung des Reichs.
Zwischen 1893 und 1908 entstanden neue Batterien entlang der Küste, von der Alten Liebe bis nach Duhnen. Mit Reichweiten bis zu 17,5 Kilometern konnten die Geschütze das Fahrwasser bis zur holsteinischen Küste überwachen. Und in einem Bunker installierte man den damals größten Scheinwerfer der Welt: 318 Millionen Normalkerzen stark, 4,5 Kilometer Reichweite, betrieben von vier 20-kW-Motoren.
Vor dem Ersten Weltkrieg fanden hier regelmäßig Schießübungen statt – ein Spektakel, das viele Touristen anzog. Flottenmanöver zwischen Cuxhaven und Helgoland taten ihr Übriges. Doch für die Soldaten war das Leben in den feuchten Kasematten kaum auszuhalten. Erst 1913 zog die Besatzung in eine Baracke vor dem Fort um.
1889 wurde die sogenannte „Kanonenbahn“ gebaut – eine Militärverbindung vom Bahnhof bis zum Fort, um das schwere Gerät zu transportieren. Bald darauf kam die Idee, die Strecke zivil zu nutzen. 1914 startete eine Straßenbahn, die sofort beliebt war – aber nach 28 Tagen musste sie wegen des Kriegsausbruchs wieder eingestellt werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg, den das Fort unbeschadet überstand, wurden die Geschütze auf Grundlage des Versailler Vertrags entfernt. Das Fort wurde ein Munitionslager. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg rüstete man zur Batterie Kugelbake wieder auf.
Nach dem Krieg lebten hier Flüchtlinge: 24 Familien fanden in Baracken, Bunkern und Kasematten Unterschlupf. Es entstand ein buntes Gewerbegebiet: eine Hühnerfarm, eine Tischlerei, eine Spielzeugmanufaktur, sogar eine Nerzfarm. Ein Mann gründete eine Jugendherberge mit alten Wehrmachtsbetten. Bis 1967 bestand sie. Die letzte Firma, eine Gießerei, ging 1956. Nach einem bis heute ungeklärten Mord im Jahr 1971 verließ auch der letzte Bewohner das Fort. Danach holte sich die Natur das Gelände zurück.
1991 kehrte es mit dem Künstlersymposium „Schützen, Wappnen, Entrüsten“ ins Bewusstsein zurück. Die Stadt hatte das Fort schon 1970 vom Bund übernommen, 1984 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Zehn Jahre später begann die Restaurierung mit dem Ziel, den Zustand von 1910 wiederherzustellen. Heute kannst du sogar ein baugleiches Flugabwehrgeschütz auf einer Betonplattform bestaunen – eine Leihgabe aus Norwegen. Und damit ist das Fort Kugelbake nicht nur ein Denkmal, sondern ein Ort zum Erleben geworden.
(Quelle: „Fort Kugelbake – Ein Streifzug durch die Geschichte“, Broschüre des Veranstaltungszentrums Nordseeheilbad Cuxhaven, Verfasserin: Elke Schröder-Roßbach, 1994 – Titelbild Sammlung Gerd Wildfang)